Der Klappentext bleibt vage, verspricht die Verflechtung dreier Frauenschicksale mit dem eines Mannes. In Erwartung einer spannenden „Menage à Trois“-Story beginne ich den Roman „Drei“ von Dror Mishani (Diogenes Verlag). In der ersten Erzählung lerne ich Orna kennen, die nach einer noch nicht ganz verarbeiteten Trennung im Internet erste Schritte zurück ins Dating-Leben wagt. Mit Gil, den sie zunächst nicht einmal besonders anziehend findet, entsteht eine nicht unkomplizierte Beziehung,
Gemein – die diese Gefühle kenne ich doch?
Orna fühlt sich überfordert, die Situation zwingt sie zu einer Auseinandersetzung mit ihrem Verhalten als Partnerin, mit dem Schmerz ihres Sohnes, der die Abwesenheit des Vaters verarbeiten muss, mit dem Jonglieren zwischen Alltag und Begierde. Trotz des nüchternen Stils zeichnet Mishani ein sensibles Bild der Familienkonstellation und Ornas Suche nach Trost und Anerkennung.
Fremde Lebenswirklichkeit – fesselnd erzählt
Bei mir hat es einige Zeit gedauert, bis ich die veränderte Temperatur des Geschichte wahrnahm und merkte, dass sie sich in einem anderen Genre bewegt als anfänglich vermutet. Auch im zweiten Kapitel ist Gil der männliche Protagonist und hilft Emilia, einer osteuropäischen Pflegekraft, in einer juristischen Frage. Nach und nach wird er zur einzigen Bezugsperson in Emilias tristem Alltag. Man spürt fast physisch, wie ihr anstrengender Alltag an ihrer Widerstandskraft zerrt. Aber Emilia sucht weiter nach Antworten auf die großen Fragen des Lebens. Als Gil und sie sich näher kommen, spitzt sich die Situation zu.
Wieder wird ein Netz gesponnen
Jahre später trifft Gil in einem Café die junge, gestresste Ella, die sich vormittags zum ungestörten Arbeiten eine Auszeit von ihrem Familienleben gönnt. Als routinierter Verführer nutzt Gil ihre regelmäßigen gemeinsamen Kaffeepausen, um Ella zu einem Wochenendausflug zu überreden, den beide jedoch nie antreten werden.
Der Roman nimmt schon während der ersten Geschichte an Fahrt auf, ein regelrechter Sog hat sich bei mir mit dem Anfang des zweiten Kapitels entwickelt. Und mit dem überraschenden Ende ist Mishani (ebenfalls Autor der Krimireihe um den Kommissar Avi Avraham) ein echter Knüller gelungen.
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