Blick auf den Eiffelturm , avenur la Bourdonnais

Unzählige Male war ich schon in Paris, zum ersten Mal vier Tage als Fünfzehnjährige auf Klassenfahrt, zum letzten Mal auf einem typischen „Beauty-Presse-Trip“ . Vom Hostel (das hieß nur früher Jugendherberge) und Bummel auf den Champs-Elysées bis zum Private Dinner im Palais Royal und Aufenthalt im Hotel de Crillon habe ich also schon einiges gesehen – dass ich Paris jedoch kenne, würde ich nie behaupten: So vielfältig ist die Schöne an der Seine.

Jetzt endlich wird´s romantisch

Als mich der Liebste zum Geburtstag mit Flugtickets und Opernkarten überrascht, freue ich mich umso mehr, denn als romantisches Reiseziel hatte ich die Hauptstadt der Liebe noch nicht kennen gelernt. Nun reisen wir Ende Oktober an und feiern goldene Herbsttage allerfeinster Art, und zwar so:

Wir haben den Frühflug aus Hamburg genutzt und checken morgens um 10 Uhr ein in unser feines Boutiquehotel Môm Art, direkt unterhalb von Sacre-Coeur. Hier erleben wir das erste Highlight in diesem exzellent geführten Haus, denn neben einer äußerst eloquenten Begrüßung erhalten wir bereits jetzt unser hübsches Zimmer.

Hotelzimmer MÓm Art
Das „Cosy“- Chambre im Hotel M´Ôm Art

Später erfahren wir von Brigitte, die das Hotel gemeinsam mit ihren Geschwistern nach dem Tod des Vaters weiter führt, dass der Balkon des denkmalgeschützten Hauses die ehemalige Dichterstube von Rimbaud schmückt. Hinter der antiken Fassade verbirgt sich nun ein exquisit ausgestattetes Boutique & Spa Hotel, die 24 Zimmer sind entzückend, ich hätte am liebsten alle drei Kategorien (Cosy, Elegance, Hermes) bewohnt. Die charmanten Interiordetails machen aus dem relativ kleinen Raum einen gemütlich-chicen Rückzugsort, die Marshall-Musikanlage und die Nespresso-Maschine runden das Setting perfekt ab. Aber nix da, draußen lockt er Trubel von Montmartre..

Ein Spaziermarsch in der Herbstsonne…

Hier servieren nahezu alle Restaurants traditionelle französische Brasserie-Gerichte

Dass wir die Stufen zu Sacre-Coeur erklimmen und einen kleinen Rundgang durch das Künstlerviertel rund um den Place du Tertre unternehmen, ist klar. Ebenso, dass hier die Touristenströme das Stadtbild beherrschen. Aber nur wenige Gehminuten entfernt, etwa ab dem Place des Abbesses, wird das Bummeln entspannter. Nicht, dass ich nun behaupte, ich empfehle hier versteckte Eckchen des Künstlerviertels, aber tatsächlich werden wir in den kommenden Tagen immer wieder die hier gelegene Metrostation wählen, um von dort aus gemütlich „nach Hause“ zu schlendern und dabei ein Plätzchen für unseren nightcap zu finden.

Doch zunächst weiten wir unseren Spazier-Radius aus und erkunden die Gegend um den Boulevard du Clichy. Über die Rue du Pigalle schlendernd, erreichen wir den Boulevard Haussmann mit seinen legendären „Grand Magasins“ Le Printemps und Galeries Lafayette. Wir rasten kurz im 7. Stock und genießen ein Glas Wein zu leckeren Taramas-Häppchen, bevor wir weiter zum Place de la Madeleine wandern.

Ich versuche, die Kirche bei jedem Parisaufenthalt zu besuchen, das imposante Bauwerk fasziniert mich: Außen einst als Ruhmestempel konzipiert, beeindruckt innen eine wunderschönes Kirchenschiff mit Marmorskulpturen, goldenen Reliefs und einem wunderschönen, riesigem Fresko. Als ich anschließend in alter Gewohnheit eine rasche Macaron-Pause im altehrwürdigen Salon du Thé „Ladurée“ einlegen will, finde ich die uncharmante Tischzuteilung schon sehr befremdlich. Sicher, Ladurée ist omnipräsent und die Marke inzwischen inflationär, aber verpflichtet nicht gerade diese Heritage zu besonders sorgfältiger Kundenpflege? Als mir die Bedienung auf Anfrage gesteht, Lakritz-Macarons seien schon länger nicht mehr im Sortiment, verlassen wir das Stübchen – adieu, Ladurée, das wars – für immer! (Meine geliebten Macarons du réglisse finde ich Tags darauf in der rue Saint Dominique im Champs du Mars-Quartier in der kleinen Patisserie „Lemoine – La Canele de Bordeaux“ – superfrisch mit Suchtfaktor!).

Wir sind nun schon seit Stunden auf den Beinen und freuen uns über den Extra-Tag, den uns das tapfere Aufstehen um kurz vor vier Uhr morgens beschert hat. Das 3-Tage-Ticket, welches wir uns gleich am Flughafen gekauft haben, wird sich übrigens in den folgenden Tagen so gerade eben amortisieren.. so viel kann man, der zentralen Hotelposition geschuldet, per Pedes erkunden. Erst am späten Nachmittag, wir sind nun also schon 12 Stunden auf den Beinen, zieht es uns zurück ins Montmartre.

Und dann kommt Anna….

Theaterbillet Anna Mouglalis

Immer wieder fallen mir Plakate auf, die das Programm des wenige Meter neben dem Hotel gelegenen Théâtre de l´Atelier bewerben.What? Heute spielt tatsächlich Anna Mouglalis in dem Strindberg Drama „Mademoiselle Julie“ – und es gibt noch Karten. Kurzum: Nach unserem ersten köstlichen „Moules et frites“-Dinner im empfehlenswerten, sehr nett geführten Restaurant L´Anvers du Decors verbringen wir den Abend auf abgewetzten Samtstühlen in der ersten Balkonreihe. Vorher haben wir uns kurz des Inhalt des Stückes ergooglet – gut so, denn unser Französisch reicht bei weitem nicht aus, den ultrasupermegaschnell vorgetragenen Dialogen zu folgen. Nach 90 Minuten sind wir um folgende Erkenntnisse reicher: Anna Mouglalis ist noch immer eine Schönheit wie zu ihren Zeiten als Chanel-Botschafterin und sie hat eine sagenhaft rauchig-attraktive Stimme. Wenn man ein Theaterstück in fremder Sprache erlebt, konzentriert man sich umso mehr auf die Körpersprache und entlarvt „over-acting“ ziemlich schnell -dieses Experiment ist absolut nachahmenswert. Und erschwinglich außerdem.

Austern, Louvre und die neue Oper

Austern und Weisswein
„Formule apéro“

„Als ich die Austern mit ihrem strengen Meergeschmack und dem leicht metallischen Geschmack aß, den der kalte Weißwein fortspülte, sodass nur der kalte Meergeschmack und die fleischige Konsistenz blieben, and als ich die kühle Flüssigkeit aus jeder Schale trank, verließ mich das Gefühl der Leere und ich begann, mich glücklich zu fühlen und Pläne zu machen…“ An diese Zeilen Hemingways aus „Paris – ein Fest fürs Leben“ erinnere ich mich, als wir am nächsten Mittag in der Paris Pêche Sea Bar sitzen. Zunächst haben wir auf dem bunten Marché d´Aligre die Düfte, Farben und typischen Sound des Markttreibens genossen, als wir auf die lediglich eine halbe Stunde gültige „Formule apéro“- Offerte stoßen: Von Viertel vor bis Viertel nach zwölf Uhr werden sechs Austern und ein Glas Wein für zehn Euro angeboten. Et voilà – Schlag zwölf feiern wir das Leben „à la Hemingway“.

Immer noch beeindruckend ist ein Besuch im Louvre – allerdings extrem anstrengender als zu „analogen“ Zeiten.. wir waren jedenfalls die Einzigen (!), die Mona Lisa frontal anschauten.. Zu meinen persönlichen Highlights zählt die Malerei des Franzosen Jaques Louis David. Allein das monumentale Werk „Die Krönung Napoleons“ im Saal 75 ist die zeitraubende Eingangskontrolle des Museums wert. Es lohnt sich unbedingt, vorab ein Ticket mit Zeit-Slot zu buchen.

Oper Paris
Imposant – die Opéra national de Paris – Bastille

„Madame Butterfly“ – Auf den Besuch der Opéra Bastille haben wir uns lange gefreut. Die Architektur des Hauses beeindruckt absolut (einen Platz auf den oberen Rängen hätte ich höhenangst-bedingt jedoch definitiv NICHT einnehmen können). Gepaart mit dem wundervollen Set Design Robert Wilsons verleben wir einen unvergesslichen Abend – gestehen uns aber später gegenseitig ein, dass wir dieses Werk Puccinis kein zweites Mal hören möchten. Das viel zu laute Orchester verhindert, dass das Bühnengeschehen uns wirklich erreicht – und schon zu Beginn des dritten Aktes sehne ich die Schlussszene herbei und will Madame Butterfly endlich sterben sehen…

Au Lapin agile – so kurios wie fabelhaft

Hier tranken schon Picasso, Braque und Apollinaire ihren Kirschlikör

Unseren letzten Abend verbringen wir im Kabarett „Au Lapin agile“. Das seit 1860 existierende Künstler-Etablissement öffnet um 21 Uhr seine Tür zu einem gewölbeartigen Kellerraum, wir nehmen an urigen Holztischen Platz und lassen die schummrige Atmosphäre und originelle Ausstattung auf uns wirken. Den gereichten Kirschlikör ergänzen wir rasch um das „Edel-Gedeck“ (Eintrittspreis für zwei plus eine Flasche Ruinart-Champagner), eine perfekte Wahl. In den darauffolgenden drei Stunden erleben wir eine unglaubliche Performance verschiedener Künstler, die uns zum Mitsingen französischer Volks- und Revolutionslieder animieren, Edith Piaf-Parodien darbieten, Lustiges und Melancholisches performen, es ist großartig! Als alle anderen Gäste bereits gegangen sind, fragt mich der älteste Sänger der Gruppe nach meinem Lieblingschanson. Da „Göttingen“ von Barbara bereits in einer hinreißenden Fassung gesungen wurde, frage ich nach einer Interpretation von Boris Vians Poème „Le Deserteur“. Sichtlich erfreut erzählt uns der Künstler die Geschichte des einst verbotenen Protestliedes und in den nächsten Minuten erleben wir ein so sensationell feines Privatkonzert, das unser perfektes Paris-Wochenende krönt und uns für immer im Herzen bleiben wird. „Merci, Monsieur le Président!“