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Lifestyle, Liebe & Lektüre

Warum jetzt alle STRICKEN

Zwei Pudelmützen aus der laufenden Produktion

Kaum hatte ich mir STRICKEN IST DAS NEUE YOGA als vermeintlich originelle Caption ausgedacht hatte, las ich sie schon überall…

Dabei bin ich vielleicht die Einzige, die tatsächlich Yoga gegen Stricken als tägliche Praxis getauscht hat. Bedingt durch meinen zweiten Bandscheibenvorfall, der mich weitaus langfristiger als der erste komplett aus dem Verkehr gezogen hat, habe ich meine geliebte Yogamatte eingerollt und seit acht Wochen nicht mehr angerührt.

Zunächst lag ich also nur stocksteif und mit schmerzmittelbetäubt wechselweise in Rücken- und Bauchlage, und als sich die Situation ein wenig entspannte, las ich Buch um Buch um Magazin um Zeitung undsofort. Bingewatching ist nicht so mein Ding, doch sogar das Studium diverser Mediatheken sowie Netflix & Co. stand plötzlich auf der Tagesordnung.

Aber all der Zeitvertreib konnte nicht das wunderbar meditative Versinken in eine Yogapraxis auch nur annähernd ersetzen. Im Hausbooturlaub hatte ich bereits ein großes Schaltuch zum Geburtstag einer lieben Freundin gestrickt, indem ich stundenlang auf der flying bridge gesessen und mehr oder weniger ohne Hinzuschauen Reihe um Reihe nadelte und dabei die wunderschöne Landschaft genoss. Ein Wollknäuel war übrig geblieben, das nahm ich mir nun vor.

Einen Tag später war die erste Mütze fertig. Und weiter ging es. Inzwischen habe ich diverse Babypullover und unterschiedliche Mützen produziert, alles feine Geschenke, für die ich fröhliche Gesichter der Beschenkten ernte.

Ergänzt sich hervorragend: Strick- und Hörmarathon mit dem ZEIT-Podcast „Alles gesagt“

Und damit ist Stricken eben NICHT das neue Yoga, sondern eine weitere Bereicherung meines Spielfeldes: Ich denke mir Formen, Farbkombinationen und Muster aus und überlege mir, wem ich mit einem selbstgemachten Teil eine Freude bereiten kann. Das beschäftigt zugegebenermaßen deutlich weniger Muskeln als eine ausgiebige Runde schwungvoll ausgeübter Asanas, beschert mir aber eine wunderbare Ruhe un d einen ähnlich glückspendenden Flow.

Und vielleicht ist es sogar therapeutisch, mit Stricken weiterzumachen, wenn der Körper nicht in der Lage ist, sportliche Leistung zu erbringen. Ich jedenfalls habe tatsächlich Dankbarkeit dafür gespürt, dass meine Finger flink wie eh und je die Nadeln tanzen lassen können.

Heiter bis wolkig, überwiegend BRILLANT

„Inneres Wetter “ von Elke Schmitter, Roman C.H. Beck

Seltsamerweise wähle ich schon sehr häufig Romane, die ein ähnliches Setting bedienen. Familiengeheimnisse, die änlässlich eines Jubiläums/Geburtstag des Patriarchen oder am Krankenbett/Grab desselben ans Tageslicht kommen und die dysfunktionalen Verflechtungen innerhalb mehrerer Generationen beleuchten. Klar, ich gehöre zum letzten Jahrgang der Baby-Boomer und lese hauptsächlich zeitgenössische Literatur. Und wie alt sind dann häufig die Autoren? Eben.

Der Roman „Inneres Wetter“ von Elke Schmitter handelt also von drei Geschwistern, die sich anläßlich des Geburtstages ihres Vaters zu einem Familientreffen verpflichtet fühlen. Die Organisation des Festtages lässt den Leser in den Alltag und die Befindlichkeiten der Drei blicken, wir erfahren von fragilen Ehefragmenten, verirrten Selbstverwirklichungspfaden und systemisch verankerter Aufgabenverteilung. Eine schöne Erzählmelodie und amüsante Nebenstränge geben der Geschichte die richtige Würze, um dranzubleiben.

Da ist die älteste Schwester, Huberta, eine Ethnologin Mitte fünfzig, die ihr Studium nie beendet hat, nun in prekären Verhältnissen lebt, sich mit Minijobs über Wasser hält und ihre Situation gegenüber der Familie zu verbergen versucht.

Da ist Bettina, seit Jahren mit dem älteren Johannes verheiratet, stets besorgt um die inzwischen erwachsene Tochter, gut vernetzt , ihr Mann nennt sie „Kommunikationsjunkie“ und etwas eingefahren in ihrer Ehe, im guten Leben, im Alltag einer unbeschwerten Bürgerlichkeit .

Da ist das jüngste Geschwister, Sebastian, der brave und etwas ungelenke kleine Buder, dessen Ehefrau Mora mit ihrer spröden Exotik das Regelwerk der Familie irritiert.

Und da sind Sätze wie diese, die den Unterschied machen zu vergleichbaren Romanschauplätzen:

„Erst im Laufe der Jahre dämmerte ihr, dass die Neurose in diesem Land an der familiären Tagesordnung ist; die Auseinandersetzung mit den Eltern therapeutisch gehätschelt wird bis ins Greisenstadium der Mütter und Väter hinein. Äußerlich dezimiert bis zum dürren Minimum des Anstands – gemeinsame Taufen, Besuche zu Weihnachten und zu den runden Geburtstagen -, sind die Beziehungen innerlich verkeilt und äußerlich porös, jedenfalls in der gebildeten Mittelschicht, mit der sie Umgang pflegen und wo es nicht selten vorkommt, dass bei der letzten Flasche Wein mit heiligem Ernst erörtert wird, wie diese verrutschte Bemerkung und jenes verunglückte Geschenk bei einem Besuch „zu Hause“ wiedergutzumachen sind.“

Elke Schmitters Sprache ist so fein und ausgewogen, dass die Lektüre ein wahrer Genuss ist und dieser schmale Band von 200 Seiten mir zwei Nachmittage lang eine echte Freude war.

SCHMERZHAFT schön


„Wolkenkuckucksland“ von Anthony Doerr, Roman C.H. Beck

Puuh, offensichlich ein Monumental-werk, damit tue ich mich normaler-weise schwer. Warum dieser Roman dennoch einen Platz in meinen Top Ten 2021 verdient …


Weder bin ich Fan von historischen Romanen noch von Fantasygeschichten, die Werke Ken Folletts lassen mich kalt und nach Mittelerde hat es mich auch noch nicht verschlagen. „Wolkenkuckucksland“ von Anthony Doerr hatte es eher zufällig auf meinen Bücherstapel geschafft. Nach wenigen Seiten jedoch zog mich die Story des Pulitzer-Preisträger derart in Bann, dass ich das Buch nahezu verschlungen habe. „Dieser Roman ist als Lobgesang auf Bücher gedacht“, schreibt der Autor in einer Anmerkung. Das ist ihm absolut gelungen, mit „Wolkenkuckucksland“ hat er sozusagen „das Buch aller Bücher“ geschaffen.

Und dass am Ende der dystopische Blick in die Zukunft durch einen leisen Hoffnungsschimmer erhellt wird, macht das Werk umso zauberhafter.

Sommer und Selfcare im GLAS

Kulinarisch ist Apfelgelee in meiner Familie wenig gefragt – warum nur bringt mir das jährliche Einmachen so viel Freude?

Wenn Jessica anruft und verkündet: „Heike, die Äpfel sind reif, möchtest Du welche?“, gibt es kein Halten mehr. Wie schön, dass meine Freundin ein tapferes Bäumchen im Garten hat, dass mich pünktlich zum Herbstanfang mit etlichen Kilo Apfelglück versorgt. Vergangenes Jahr habe ich noch wild wachsende Bäume am Elbufer geplündert, diese Jahr überlasse ich die Beute den Nutzern von mundraub.org, auf dieser website kann man sich öffentlich zugängliche Obstbäume anzeigen lassen, grandios!

Während ich also Einmachgläser und Gelierzucker besorge, Ideen für Rezeptvarationen sammle und alte Geschirrtücher aussortiere, sinniere ich darüber, warum ich so viel Zeit dafür verwende, Gelee zu produzieren, von dem ich selbst nur einen Bruchteil konsumieren werde. Offensichtlich stille ich damit eine Sehnsucht nach Care-Arbeit und widerspreche damit meiner eigenen These, man müsse sich von den Fallen der Familienarbeit fernhalten, um die Emanzipation voranzutreiben.

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Racism & the CITY

Cover Drei Kameradinnen
„Drei Kameradinnen“ von Shida Bazyar, Kiepenheuer & Witsch

Ich bin ganz aufgeregt, habe gerade die letzte Seite gelesen und hoffe so sehr, ich kann meine Begeisterung für „Drei Kameradinnen“ in die richtige Form gießen. Spätestens seit dem ersten Drittel des neuen Romans von der 1988 (!) in Rheinland-Pfalz geborenen Autorin dämmerte mir, dass ich soeben ein Buch lese, welches es mit Sicherheit auf das Treppchen meiner Top 10 dieses Jahres schafft: Die Momentaufnahme des Alltags dreier junger, „nicht-weißer“ Frauen ist unglaublich fesselnd und aufwühlend, auch, weil sich die Protgonistin Kasih häufig aus der Ich-Perspektive in eine netflixhafte Meta-Ebene aufschraubt, aus der sie in direkter Ansprache zum Leser dessen Vorurteile geschickt entlarvt.

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Hej, RHABARBER-Mama

zwei Rhabarbertartes
Zwei Rhabarbertartes mit Trendmuster

Diese neue Lieblingstarte ist das Ergebnis einer Kettenreaktion: Vorgestern stand mein 22-jähriger Sohn, der knapp 600 Kilometer südlich von Hamburg lebt, spontan für einen Sleep-Over an der Tür, musste morgens sehr früh wieder los und nahm mein Frühstücksangebot gerne an. Und natürlich backte ich ihm einen Kaiserschmarrn, den vertilgte er als Kind schon fast jedes Wochenende, kaum vorstellbar, welche Mengen damals verputzt wurden.

Ich stand also morgens um 7 Uhr schon da mit sentimentalen Erinnerungen und einem angebrochenen Glas Apfelmus mit Mango und kämpfte mit einem irrationalem Abschiedsschmerz. Verarbeitete das Apfelmus in eine kleine Käsequarktorte mit Fruchtfüllung, die war zwar ganz lecker, überzeugte mich aber nicht mit einer perfekten Textur. Ich war nun aber schon mal so im Backmodus, dass ich endlich das Rhabarberrezept ausprobierte, welches mich seit Wochen via Instagram verfolgt. Puh, lange Einleitung, Danke für die Geduld!

  • 160 g Weizen- oder Dinkelmehl
  • 100 g Rohrohrzucker
  • 1 Ei
  • 120 g Butter
  • Salz
  • 80 ml Sahne
  • 3 Eier
  • 1 EL Speisestärke
  • Vanillemark
  • 1 EL Puderzucker
  • 125 g gehackte Pistazienkerne
  • 400 g möglichst gleichmäßige, eher schlanke Rhabarberstangen

Aus dem Mehl, 100 g weicher Butter, 1 Ei und 80 g Zucker mit 1 Prise Salz zügig mit den Händen einen Teig bereiten und diesen in eine 26 cm Springform kneten. Die gut gewaschenen Rhabarberstangen werden nicht geschält, damit sie beim Backen nicht verblassen, nur in ebenmäßige Trapeze geschnitten. Aus diesen puzzelt man dann das gewünschte Muster als Belag in die Form. Macht richtig Spaß, ist aber eine kleine Zen-Übung. Für den Guss die Sahne (3 EL aufbewahren) mit 2 Eiern, 2 EL Puderzucker, 2 EL Speisestärke und dem Vanillemark verquirlen. Über den Kuchen gießen und diesen für 10 Minuten backen bei 170 Grad Ober- und Unterhitze.

Währenddessen die Pistazienkerne leicht anrösten und mit 20 g Butter, 2 EL Zucker und 3 EL Sahne karamellisieren. Der Rand der Tarte wird nun mit dem Pistazienknusper verziert und kommt für weitere 15 Minuten in den Ofen.

Das Ergebnis: superlecker und wirklich schön, liebsten Dank an Milena, auf ihrem Blog www.hellrosagrau.de finden sich viele weitere hübsche Backideen!

Der JENISCH-BÄR oder die Gunst der Stunde

Wie der Hamburger Verkehrswahnsinn mir ein kulinarisches Hobby bescherte

Jenisch-Bär: mein selbstgemachtes Hamburger Pesto

Über manche Sachen spreche ich nicht gerne. Ich habe zwar eine Meinung, und oft keine gute, aber da ich nicht in die Kommunalpolitik wechseln möchte, halte ich die Klappe. Wenn es um Hamburger Verkehrspolitik geht beispielsweise. Mein morgendlicher Radweg entlang der Elbe ist davon meistens unberührt und zu jeder Jahreszeit wunderbar. Besonders genieße ich natürlich, wenn ich, so ab Mitte April, Daunenjacke , Wollmütze und Handschuhe eintausche gegen Anorak und Frühlingsgefühle. Kirschblütenmeer am Fähranleger, Osterglockenwiesen an den Uferpromenaden – grandios. Und nun war plötzlich war ab Teufelsbrück der Uferweg versperrt, umständlich musste man auf die Elbchaussee weichen und dann zusehen, wie man überlebte. Also nahm ich fluchend den Umweg durch den Jenischpark, zwar schön, aber anstrengend ansteigend. Weitläufig und wunderhübsch, morgens vor allem angenehm leer bis auf ein paar Frauchen und Herrchen oder wie man das jetzt gendergerecht ausdrückt.. Hundebesitzende-chen vielleicht.

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Ofensoulfood: DORADE & Knolle

  • 2 küchenfertige Doraden
  • 1 Zitrone
  • 6-8 Kartoffeln
  • Rosmarin
  • Meersalz
  • Olivenöl

Kaum schlendern wir beim Fischhändler unseres Vertrauens vorbei, überlegen wir uns, welches Gericht wir schon immer mal ausprobieren wollten. Geschwind merken wir, dass wir für Experimente mehr Vorbereitung und das Studium mindestens eines Kochbuches brauchen – also kaufen wir zwei Doraden. Die gibt es eigentlich immer frisch, genau so wie sich der Rest der oben genannten Zutatenliste eigentlich immer im Vorrat befindet. Dieses Rezept ist keine große Sache – aber jedes Mal absolut lecker:

Zunächst bürsten wir die Kartoffeln und kochen sie mit Schale ca 15 Minuten in Salzwasser. In der Zwischenzeit waschen wir die Fische, salzen sie kräftig mit Meersalz und etwas Pfeffer und füllen sie mit einigen Zitronenscheiben, gerne auch mit frischen Kräutern, falls vorhanden (Petersilie & Koriander sind immer fein). Nun platzieren wir die Fische auf ein geöltes Backblech, arrangieren daneben die Kartoffeln, die wir nun mit einem Stampfer grob zerquetschen. Etwas Olivenöl, Meersalz und Rosmarin draufgeben und das Blech für 20-25 Minuten in den auf 180 Grad Thermogrill vorgeheizten Ofen schieben. Das Angrillen sorgt für leichten Crunch auf den Kartoffeln, genial!

Easy, oder? Dazu passt prima ein grüner Salat, Babyspinat oder Feld- oder Gurkensalat.

ARTICHAUTS et scampi frits

Wider den Corona-Blues … wir verreisen kurz am Esstisch nach Frankreich

Artischockenpfanne mit Scampis
immer etwas Besonderes : junge frische Artischocken
  • vier junge Artischocken
  • 16 Scampis
  • frische Petersilie – oder aus der TK-Packung
  • eine Knoblauchzehe
  • Zitronensaft
  • ein Schuß Pernod

Vor einigen Gemüsesorten hat man Respekt, dabei ist auch eine Premiere heute kein Hexenwerk mehr – Tutorials sei Dank! Habe ich Artischocken bislang dann und wann gekocht und mit einer lauwarmen Vinaigrette mit gehackten, harten Eiern serviert (délicieuse), konnte ich heute nicht widerstehen und habe auf dem Markt einige junge Exemplare der distelartigen Schönheit für eine Vorspeise zu einem Dinner erstanden.

Und weil das Experiment geglückt ist (es gibt Zeugen..), hier nun das Rezept zum Ausprobieren: Die Artischocken großzügig putzen, das heißt, den Stiel bis auf einen halben Zentimeter abschneiden, schälen und die äußeren harten Blätter abzupfen. Alles allzu Harte muss weg, dann schneidet man die Spitzen der verbliebenen Blätter ab. Das geht am besten … eigentlich ausschließlich.. mit einer Schere. Nun die Artischocken vierteln oder achteln, je nach Größe. die bereits geputzten Scampis kann man in Öl und Gewürzen marinieren, im heutigen Fall habe ich sie pur verarbeitet.

In einer großen Pfanne Olivenöl erhitzen, Knoblauchscheiben hinzufügen, die Artischocken anbraten, nach ca. 8 Minuten die Scampis hinzugeben, salzen und pfeffern. Gerne mit einem Schuß Pernod ablöschen, das sorgt geschmacklich für das „je ne sais quoi“, und einige Spritzer Zitronensaft dazugeben. Mit Zitronenzesten und frischer Petersilie anrichten. Dazu passt natürlich hervorragend ein petite Baguette und gekühltes Glas Sancerre.

Und schon geht´s gedanklich in die Provence – bon voyage!

Das ZDF wird ihn lieben

Mit ihrem aktuellen Roman „Über Menschen“ knüpft Juli Zeh an den Erfolg von „Unterleuten“ an und erfindet ein neues Genre

Buchcover Über Menschen Juli Zeh
„Über Menschen“ von Juli Zeh, Luchterhand

In ihrem neuen Roman „Über Menschen“ lässt Juli Zeh ihre Protagonistin Dora samt ihrer Mischlingshündin Jochen (hoppla, schon stolpert sich´s humorig über die Genderthematik) überstürzt in ihre letztlich aus einem romantischem Kurzschluss erworbene Immobilie übersiedeln. So wiederholt sie ihr Erfolgsrezept des Vorgängers „Unterleuten“ aus dem Jahr 2016, denn wieder begleiten wir eine Berliner Großstadtpflanze bei ihrer Umtopfung in ein Dorf in der brandenburgische Provinzsteppe.

Und schon ist man mitten im Pandemiealltag des Sommers 2020. Dora, die erfolgreiche Werbetexterin mit ach-so-typisch wokem Lifestyle und Hipster-Lebensgefährten, sieht ihr Leben plötzlich unter dem Corona-Brennglas dahinschwinden. Der Liebste mutiert vom Öko-Aktivisten zum Lockdown-Hardliner, das Home Office wird zum Großstadtkäfig – und Dora wählt die Flucht ins brandenburgische Bracken, um sich im wahrsten Sinne des Wortes zu erden. Während sie sich ans Roden ihres sanierungsbedürftigem Haus und Hof macht, erscheint nach und nach weiteres Romanpersonal auf der Bildfläche: Der einschlägig vorbestrafte Dorfnazi, das vernachlässigte Kind, der regredierte Nachbar, die schwulen Aussteiger mit halblegalem Blumenhandel, die überforderte alleinerziehende Schichtarbeiterin und ein paar andere Randfiguren mehr. Übersichtlicher als in „Unterleuten“, ausschließlich aus der Perspektive Doras, beschreibt Juli Zeh diese Menschen nahbarer, liebevoller, und trotzdem fehlt ihrer Erzählung jegliche Poesie.

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