Platanenallee am Canal du Midi

Das letzte Drittel der Strecke wird dann noch einmal besonders schön. Die Hafenstädtchen sind zwar teilweise unspektakulär (in Puicheric beispielsweise, im Reiseguide als Städtchen angepriesen, welches seinen mittelalterlichen Charakter erhalten habe, gibt es außer einer maroden Festung und trostlos leerstehenden Lädchen nur ein einziges Restaurant mit fragwürdiger Klientel), dafür werden die Schleusenhäuschen immer pittoresker, die Brücken sind teilweise verziert und die Landschaft ist absolut traumhaft.

Schätzchen mit dem Schleusenwart

Inzwischen sind wir sehr versiert im Schleusen und so halte ich häufig ein Schwätzchen mit den „Eclusiers“ die sich freuen (sic!) , wenn ich mein Französisch ausprobiere. Interessant, Schleusenwart ist durchaus ein Ferienjob, begrenzt auf die Sommermonate mit rotierenden Einsatzorten.

Wir übernachten in Trèbes, einem charmanten kleinen Ort und entdecken eine „Confiturererie“, die dem Bilderbuch entsprungen scheint, die Marmeladenfee hat nicht nur die Sorte „Orange-Reglisse“ – ja – LAKRITZ in der einzigen Konfitürensorte, die mir schmeckt! Hier steht also ein Großeinkauf an… Der Canal schlängelt sich weiter durch sanfte Weinhänge, wir passieren Überreste mittelalterlicher Aquädukte, Einzel-, Doppel-, sogar Dreierschleusen und landen schließlich im Hafen von Carcassonne. In der Nachmittagssonne radeln wir zur Cité hinauf und sind total begeistert von der Kulisse, die sich uns bietet.

Die berühmte Festung aus der Zeit des Römischen Reiches (3. und 4. Jahrhundert), ist quasi im Originalzustand der Restaurierung, die Ende des 19. Jahrhunderts durch den Architekten Viollet-Le-Duc erfolgte. Wir sind absolut fasziniert von dem Stadtbild, welches sich uns bietet, und fühlen uns wie in einer Harry Potter-Zwischenwelt. Als wir abends nach einem unerwartet famosen Dinner (denn natürlich ist die Cité touristisch maximal bewirtschaftet und das heißt im kulinarischen Sinne ja oft nichts Gutes) mit weltbestem Service im „Le Jardin de Carcassonne“ durch die beleuchteten Gassen zum Hafen radeln, nehmen wir uns fest vor, diesen magischen Ort irgendwann noch einmal zu besuchen.

Carcassonne Cite

Spät in der Koje recherchiere ich schon einmal, wie sich ein Jahr gestalten ließe, wenn man nach dem Berufsleben die neugewonnene Freiheit nutzen möchte: Erntehelfer bei der Weinlese im Languedoc, Schleusenwart am Canal du Midi, Olivenpflücken in der Toskana… Es gibt noch soviel zu entdecken, und ich stelle wieder einmal fest, die Neugier auf ein anderes Leben beginnt erst, wenn man nicht nur ein bisschen Abstand zur Alltagsroutine hat, sondern eine Zeit echter Entschleunigung (sorry, aber hier passt der inflationäre Begriff wirklich einmal) erlebt… Merci und au revoir, Canal du Midi, die Planung beginnt ab jetzt!