Yoga Wall? Nie gehört! Als ich bei der Recherche auf die Bilder der vertikal an der Wand befestigten Schlaufen und Schnüre stoße, bin ich gleich begeistert. Was anfangs meiner Meinung nach eine sportliche Herausforderung à la TRX-Fitness oder Aerial Yoga verheißt, wird im Rahmen einer Iyengar-Yoga-Stunde angeboten, zu der wir uns zu sechst einfinden. Die zertifizierte Iyengar-Yoga-Lehrerin Claudia Götter empfängt mich vor Ankunft der erfahrenen Teilnehmer zur Erläuterung dieser Richtung, die aus über 200, vom Yogameister Iyengar systematisierten Haltungen und Asansa besteht.


DER STRENGE YOGAMEISTER IYENGAR


„Es geht hier vor allem um die Fokussierung anatomisch-physiologischer Prinzipien. Wir präzisieren die genaue körperliche Ausrichtung, um die regenerative Wirkung der einzelnen Haltungen zu optimieren, und erreichen so mehr Standfestigkeit, Flexibilität und eine klare Körperausrichung. Um diese detailgenaue Praxis zu intensivieren, bedienen wir uns Hilfsmitteln wie Gurten, Rückenbänken – und eben der Yoga Wall“, so Claudia Götter. Das klingt plötzlich recht streng, und um wie die Ernsthaftigkeit zu betonen, baut mir Claudia zunächst einen „Arbeitsplatz“ an der Wand auf, bestehend aus Matte, Decken, Gurten, Klötzen und einem Rückenpolster. Als ich unter ihrer Anleitung beginne, zunächst verschiedene Haltungen im Liegen einzunehmen, lenkt sie meine Aufmerksamkeit auf die genaue Ausführung. Zur Erlangung einer maximalen Schulteröffnung wird mir, mit dem Rücken auf einem Längspolster liegend, sogar ein Brett zwischen Schultern und Armbeugen drapiert. Das Resultat ist tatsächlich verblüffend, die herzöffnende Wirkung ist unvergleichlich intensiver als bei meiner konventionellen Herangehensweise.

VÖLLIG SCHWERELOS


Ein wenig erinnert mich die Praxis an eine Stunde beim Physiotherapeuten, und ich frage Claudia Götter, ob Iyengar-Yoga auch dynamischere Sequenzen beinhaltet.“Aber ja“ schmunzelt sie und bringt (endlich) die Yoga-Wall ins Spiel. Mühelos erklimme ich unter Zuhilfenahme der Halteschnüre die Wand und lasse mich kopfüber hängen, die gegrätschten Beine zueinander gewinkelt. Wow – die Dehnung der Wirbelsäule ist immens, das Upside-Down-Gefühl wirkt sich äußerst erfrischend auf Körper und Geist aus. Die reinigende Wirkung kenne, erwarte und liebe ich von anderen Umkehrhaltungen wie beispielsweise dem Kopfstand, aber durch die Schwerelosigkeit entdecke ich eine ganz neue Qualität. Ich genieße die mir bis dato unbekannte Flexibiliät, probiere weitere Umkehrhaltungen und nehme die Schnüre für einen wenig gestützten Kopfstand zur Hilfe. Als wir am Ende der Stunde einen Campingklappstuhl zweckentfremden und unter, auf und in diesem unsere Asanas üben, pflichte ich Claudia bei, dass Iyengar- Yoga neben der pedantischen Praxis durchaus spielerische Elemente beinhaltet.


FAZIT: SO WIRKT IYENGAR-YOGA


Noch Tage später spüre ich sehr bewusst meine aufgerichtete Wirbelsäule und ein insgesamt angenehm konzentriertes Körperbewusstsein. Das möchte ich stabilisieren und nehme mir fest vor, eine wöchentliche Praxis in meinen Yogastundenplan zu integrieren.