Von Ratchaiburi nach Kanchanaburi

Die Khlongs von Dam Noen
Auf den Khlongs von Damnoen Saduak

Unser erstes Ziel bei der Reise ins Umland von Bangkok ist der beliebte Floating Market Damnoen Saduak in Ratchaiburi, knapp 100 Kilometer südwestlich der Hauptstadt. Wir starten morgens um halb acht und freuen uns über unser schlaues Timing, als uns unser Fahrer gegen neun Uhr am noch kaum besuchten Steg abliefert. Mit dem Longboat geht es durch das weitverzweigte System kleiner Wasserstraßen, der Khlongs, doch schon nach den ersten Metern werden wir angehalten, den Händlern am Ufer billigen Touristenramsch abzukaufen. Nein Danke, wir möchten weder in Plastik verpackte Bambustaschen noch Polyestertuniken, und auch das Angebot, uns mit einer kleinen Meerkatze fotografieren zu lassen, lehnen wir ab.

Das Labyrinth der Khlongs

Belebt wie der Times Square: Damnoen Saduak

Die Fahrt auf den Wasserkanälen durch die Siedlung ist interessanter, wenn man sich nur auf die Eindrücke des alltäglichen Lebens konzentriert. Die unterschiedlichen Häuser, die Blumendekorationen, dazwischen tropische Wasserpflanzen und eine Tankstelle, die lediglich aus der Präsentation mit Treibstoff gefüllter Wasserflaschen und einem Trichter besteht. Dazu die frische Luft, Vogelgezwitscher vermischt sich mit dem Knattern des Bootsmotors. Ich bemühe mich, die Morgenstimmung zu genießen, doch ich kann den omnipräsenten Plastikmüll nicht ausblenden. Zudem beschleicht uns die Vermutung, einer Folkloreinszenierung beizuwohnen, denn als wir uns dem Zentrum des schwimmenden Marktes nähern, kommen nun von überall mit Touristen besetzte Boote. Die Bootsführer rangieren verbissen durch das Chaos der sich ineinander verkeilenden Longboats, an den Stegen warten Busladungen chinesischer Touristen auf die nächsten freien Plätze. Vereinzelt paddeln Marktfrauen, wunderschön gekleidet mit Bauernkittel und breitem Strohhut, mit ihren hölzernen Booten, beladen mit Früchten, Gewürzen und kleinen Speisen durch das Getümmel. Ob ihnen bewusst ist, dass sie selber als Fotomotiv begehrter sind als ihre angepriesenen Waren?

Asien und der Abfall

Wir setzen unsere Fahrt fort, unser nächstes Ziel liegt a. 90 km weiter im Norden. Zügig kommen wir auf den gut ausgebauten Straßen voran, durchqueren pausenlos Siedlungen, die aus einer Hauptstraße mit dem typischen Patchwork von Reifenhandlungen und Garküchen zu bestehen scheinen. Aber auch Reisfelder und Ananasplantagen säumen unseren Weg, dazwischen sehen wir hübsche Tempelanlagen und immer wieder übergroße Prachtbilder des regierenden Königs Rama X. und seiner Frau. Und überall sticht mir der Plastikmüll ins Auge. In der Großstadt war er mir nicht so bewusst, vielleicht empfand ich seinen Anblick dort auch normal, erwartet. Hier in der wunderschönen Landschaft kann ich die Verschandelung jedoch nicht ausblenden. Inzwischen ist sich die Regierung durchaus des Problems bewusst geworden und startete jüngst die Aktion „No Plastic“ mit dem Gesetz, Plastiktüten in Supermärkten zu verbieten. Leider haben wir feststellen müssen, dass es an der Umsetzung hapert. Aber ok, das Gesetz ist ab dem 1. Januar 2020 in Kraft getreten, da war es Anfang Januar nicht in den Köpfen der Menschen verankert. Auch Privatunternehmer entwickeln visionäre Recyclingmethoden, um aus Plastik Straßenbelag und Baumaterial herzustellen. Ein spannendes Porträt über Yuttakarn Makpun, der Plastikmüll zu Öl verarbeitet, findet sich hier im 5000s Magazine. Ich hoffe sehr, dass sich die Umweltbemühungen bald auszahlen, denn die Vermüllung hat mich echt massiv gestört und mir auch ab und zu die Stimmung verhagelt.

Die River Kwai Bridge in Kachanaburi

Nachmittags checken wir im Felix River Kwai Resort in Kanchanaburi ein und stellen umgehend fest, dass die großzügige Anlage mit merkwürdigem DDR-Charme schon bessere Zeiten gesehen haben muss. Vorsicht, die Fotos auf der website täuschen, das Resort ist extrem abgeschrammelt und wird augenscheinlich nur noch von chinesischen Reisegruppen aufgesucht. Während unseres Aufenthaltes konnten wir allerdings eine Superlative ausmachen: Als wir ein (mäßiges) Dinner im Hotelrestaurant einnehmen, werden wir vom weltschlechtesten Gesangsduo aller Zeiten unterhalten. Die Titelauswahl ist leider gut, sodass wir uns die ärmsten Coverversionen von „Time after Time“, „Perfect“ und „Norwegian Wood“ anhören müssen. „Let it be“ .. summe ich leise bei Hinausgehen.

Mit dem hoteleigenen Fährservice setzen wir zum anderen Ufer über und stehen auf den historischen Gleisen des Burma-Siam Death Railway. Die Zugverbindung nach Burma wurde von der damaligen japanischen Siegermacht während des zweiten Weltkrieges von 1942 bis 1944 mit Zwangsarbeitern gebaut. Die Grausamkeiten während dieser Zeit dokumentieren ein Museum, verschiedene Gedenkstätten und Ehrenfriedhöfe sehr anschaulich. Durch den gleichnamigen Roman von Pierre Boule und als Gedenkstätte für die Angehörigen der vier Opfernationen hat die Brücke am Kwai eine beträchtliche internationale Anziehungskraft. Es ist schon kurios, wenn das laute Signal ertönt und die Touristen sich in die Aussichtsplattformen quetschen, da tatsächlich mehrmals am Tag der Zug die Brücke überquert. Das Touristenstädtchen hat sonst nicht viel Sehenswertes zu bieten, also entschließen wir uns zu einer mehrstündigen Zugfahrt am darauffolgenden Tag und mieten uns zunächst ein Longtailboat für ein Flusstour auf dem Kwai.

Flusslauf des River Kwae
Auf diesen Hausbooten verbringen thailändische Gruppen ihr Wochenende

Wir knattern zwei Stunden über den Fluss und bestaunen an der ersten Biegung vertaute hausbootähnliche Flöße. Das sind Boote, die in dieser Ferienregion für Einheimische gerne übers Wochenende oder länger gemietet werden, klärt uns unser Guide auf. Ganz lustig, wir passieren im Laufe des Nachmittags einige dieser schwimmenden Partyboote und verstehen gut, warum diese Gegend so beliebt ist, denn der Fluss schlängelt sich durch eine atemberaubend schöne Berglandschaft. Wir genießen die erfrischende Fahrt, lassen den ersten Sightseeing-Spot, das JWEAT War Museum, links liegen und steigen erst beim Kanchanaburi War Cemetery aus. Auf diesem Soldatenfriedhof finden sich die Gräber australischer, britischer und niederländischer POWs (Prisoner of war). Die Anlage ist wunderbar gepflegt und strahlt auf eine eigenartige Weise Frieden und Ruhe aus. Ich erinnere mich unwillkürlich an die Magazine der Deutschen Kriegsgräberfürsorge, die stets Reportagen über den Freiwilligen-Einsatz für ähnliche Gedenkstätten enthielten. Mein Vater, Jahrgang 1925, hatte seinen Einsatz im zweiten Weltkrieg auf einem Minensuchboot vor der französischen Küste schwer verwundet überlebt und unterstützte zeitlebens den Verein der deutschen Kriegsgräberfürsorge. Ich habe das als Jugendliche nicht verstanden und dieses Engagement als reaktionär empfunden. Beim Studium der Grabinschriften in Kanchanaburi spürte ich jedoch den versöhnlichen Geist und die Notwendigkeit dieser Anlagen als Mahnmal. Die Inschriften der Grabsteine, die neben den Daten der natürlich meist erschreckend jungen Männer auch letzten Grüße der Eltern, Geschwister, Frauen und Kinder enthielten… dieser Besuch hat mich sehr bewegt.

Entschleunigung auf thailändisch

Zugfahrt im Death Rail Train
Für 100 Baht pro Strecke wir jeder Fahrschein per Hand geschrieben und gestempelt

Auf eigene Faust geht es anderntags auf die Schiene und wir besteigen den Zug Richtung Nam Tok. Wir wählen uns Plätze im „Frachtraum“ und teilen wir uns die Holzbank mit fahrenden Händlern, die ihre mitgebrachten Speisen für den Verkauf vorbereiten: Winzige Plastiktüten mit Gewürzen und kleine Plastiktüten mit Brühe werden akkurat mit Gummibändern verknotet und in mittlere Plastiktüten mit Nudeln verteilt – ich könnte ausflippen, wäre ich nicht augenblicklich durch das Rattern der Waggons tiefenentspannt. Die Strecke verläuft über viele Kilometer parallel zum Fluß und ist wunderschön. Oft müssen wir schnell die Köpfe einziehen, wenn die Strecke haarscharf an Felswänden entlangschrammt – man kann sich leicht vorstellen, unter welch schweren Bedingungen die Zwangsarbeiter vor knapp 80 Jahren die Gleise verlegten. Gute vier Stunden dauert unser Ausflug, die Mischung aus Lokalstudie, Zeitreise und Naturerlebnis ist ein Highlight unserer Reise und unbedingt zu empfehlen. PS: Die Fahrt kostet 200 Baht pro Person – wie wir später feststellen, kann man diese Abenteuer auch als organisierte Tour buchen – sicherlich im „Komfort–Abteil“ mit einem hübschen Aufpreis versehen .