Kulinarisch ist Apfelgelee in meiner Familie wenig gefragt – warum nur bringt mir das jährliche Einmachen so viel Freude?
Wenn Jessica anruft und verkündet: „Heike, die Äpfel sind reif, möchtest Du welche?“, gibt es kein Halten mehr. Wie schön, dass meine Freundin ein tapferes Bäumchen im Garten hat, dass mich pünktlich zum Herbstanfang mit etlichen Kilo Apfelglück versorgt. Vergangenes Jahr habe ich noch wild wachsende Bäume am Elbufer geplündert, diese Jahr überlasse ich die Beute den Nutzern von mundraub.org, auf dieser website kann man sich öffentlich zugängliche Obstbäume anzeigen lassen, grandios!
Während ich also Einmachgläser und Gelierzucker besorge, Ideen für Rezeptvarationen sammle und alte Geschirrtücher aussortiere, sinniere ich darüber, warum ich so viel Zeit dafür verwende, Gelee zu produzieren, von dem ich selbst nur einen Bruchteil konsumieren werde. Offensichtlich stille ich damit eine Sehnsucht nach Care-Arbeit und widerspreche damit meiner eigenen These, man müsse sich von den Fallen der Familienarbeit fernhalten, um die Emanzipation voranzutreiben.
Wie so oft, hilft auch hier ein Perspektivwechsel: Gelee einkochen macht mir Spaß. Ich verbringe Zeit mit mir, für mich. In gewisser Weise bemuttere ich mich selbst, koche süßes Apfelgelee als Belag für dick mit salziger Butter bestrichenen Hefezopf, eine Kindheitserinnerung.
Den Apfelsaft produziere ich mit der klassischen aufwändigen Methode, koche kleingeschnittene Äpfel (inklusive Schale, Gehäuse, lediglich von Wurmstellen befreit) in wenig Wasser weich, lasse die Masse dann über Nacht in Küchentücher aufgehängt abtropfen und wringe die Tücher anschliessend aus.
Nach drei Tagen stelle ich stolz 45 Gläser ins Vorratsregal. Drei Sorten warten darauf, probiert zu werden: Der Klassiker, pur ohne weitere Aromen, steht neben einer mit frischen Thymianzweiglein und Calvados angereicherten Variation. Daneben reihen sich Gläser, bei denen ich mit Haselnussschnaps und Zimt experimentiert habe, gefolgt von Gelee mit einem Hauch Grand Marnier.
So verstehe ich Self Care: Früchte verarbeiten, in riesigen Töpfen rühren, Gläser befüllen, Kindheitserinnerungen in Aromen verwandeln. Und so ganz nebenbei habe ich eine hübsche Anzahl von Geschenken produziert – natürlich geht das erste Set mit großem Dank an Jessica, die Apfelspenderin!
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.