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Was bedeutet Anstand, wenn es um die Liebe geht? Der Klappentext bei „Ein anständiger Mensch“ von Jan Christophersen weist auf einen Konflikt hin, der eintrifft, wenn ein Teil des Paares mit dem Gedanken spielt, die einst vereinbarte Freiheit zum Seitensprung auszukosten. Die Geschichte liest sich flüssig wie ein gelungenes Drehbuch einer deutschen Filmproduktion à la „Das kleine Fernsehspiel“. Ich hatte sogar schon den Cast im Kopf und sah Matthias Brandt in der Rolle des erfolgreichen Autors, der auf einer dänischen Insel um die Loyalität seiner Frau, in meiner Vorstellung gespielt von Barbara Auer, bangt. Die selbstverliebte Verzweiflung des Protagonisten amüsierte mich schon sehr, bis die im zweiten Teil des Buches recht abrupt veränderte Szenerie zu einer weitaus existenzielleren Variante der Eingangsfrage führt. Eine eindeutige Antwort wird dem Leser verwehrt, und das hat mich letztendlich dazu gebracht, lange darüber nachzudenken, inwieweit Empathie und Moral als Koordinaten für mein Wertesystem gelten. Das hat mich nachhaltig für das Buch begeistert.