Der perfekte Urlaub ist doch ganz einfach – der richtige Mix aus Abenteuer und Komfort, und schon stellt sich das gewünschte Reisefeeling ein. Klar – ist bei Vielen so. Nur, was ist der richtige Mix? Als mich der Liebste mit dem Plan überrascht, knapp zwei Wochen auf einem Hausboot auf dem Canal du Midi zu verbringen, habe ich zugegebenermaßen einige Bedenken, ein Hausbooturlaub sei doch sehr mit einer Reise im Wohnmobil vergleichbar – und das ist nun wirklich nicht mein Ding. Die hübschen Landschaftsbilder und das zu erwartende französische Savoir-vivre locken mich jedoch sehr, und schon starten wir eines seeeehr frühen Morgens in Hamburg Richtung Frankreich.
Nach ca. 900 Kilometern machen wir planmäßig Stopp in Beaune, einer entzückenden kleinen, von Mauern umgebenden Stadt im Burgund. Dort geht es relativ touristisch zu, denn das im 15. Jahrhundert erbaute, und bis in die 1970er Jahre noch betriebene Krankenhaus Hotel-Dieu ist ein sowohl architektonisch sehenswertes gotisches Bauwerk als auch ein beeindruckendes Beispiel mittelalterlicher Barmherzigkeit und Krankenpflege. Wir besuchen das Museum am nächsten Morgen vor dem ersten Besucherstrom. Am Abend zuvor warten wir, bis die Tagestouristen abfahren, bummeln dann durch das malerische Städtchen und feiern nach einem köstlichen ersten französischen Dinner mit dem erfrischenden Crémant de Bourgogne unseren gelungenen Urlaubsstart.
Da wir am nächsten Tag nur noch knapp 500 Kilometer zu bewältigen haben, finden wir Zeit für einen Besuch des Museumsgelände rund um den Pont du Gard. Der römische Aquädukt ist einer der besterhaltenen Wasserkanäle. Beim Überqueren der hohen Brücke blicken wir auf eine malerische Badelandschaft und bedauern sehr, dass wir nicht genug Zeit für eine Sprung ins klare Wasser des Gardon eingeplant haben. Stattdessen tauchen wir kurz ein in einen historischen Rundgang im Museu, bevor wir auf einen schnellen Café ins benachbarte Städtchen Uzes fahren.
Der Markt gilt als einer der hübschesten in ganz Frankreich, das können wir uns gut vorstellen, nachdem wir den wunderschön mit Platanen begrünten Marktplatz überqueren und eine kleinen Runde durch die mittelalterlichen Arkadengänge drehen.
Alles ist so schön franzöööööösisch und lädt zu genießerischem Schwelgen ein, wir wollen nun aber schnell zu unserem Boot und sind froh, als wir spät abends in Montpellier zu unserem letzten Stop Over einchecken.
In Hafen von Lattes erreichen wir das Locaboat-Bureau rechtzeitig, um unser Gepäck zu storen, das Auto am 240 km entfernten Zielort Bram zu parken, mit dem Zug zurück nach Lattes zu reisen und, wieder im Hafen in Lattes angekommen, mit dem Boarding zu beginnen. Unsere 9,5 – Meter Penichette „Beaucaire“ becirct mich mit ihrem hübschen Interior, der schnittigen Flying Bridge und einem sehr komfortablen Doppelbett im Bug. Wirklich kein Wohnmobil-Feeling, ich lade begeistert das Schmuckstück mit unseren ersten Einkäufen und freue mich auf die erste Nacht an Bord.
Nach dem morgendlichen Nescafé, auf Deck genossen, geht es endlich los.. Schon die Unterquerung der ersten niedrigen Brücke verlangt, dass wir das Bimini einziehen, um keine (mit 500€ bemessene) Demolierung zu riskieren. Uff, geschafft. Weiter geht’s, der Liebste übt, den Kurs zu halten, flucht ein bisschen vor sich hin, und wir lassen unsere „Beaucaire“ in gemäßigtem Zickzack das klare, sehr fischreiche Flüsschen Lez hinabfahren. Dann ist die erste Schleusenfahrt zu bewältigen und ich darf beweisen, wie tüchtig ich mit Tau, Bootshaken und technischen Französischvokabeln hantieren kann. Nun ja, geht so, der Schleusenwart wird per Fernsprechanlage aktiviert und hat sich sicherlich vor der Kamera über die tapsigen Deutschen amüsiert. Aber wir haben richtig Spaß bei der Sache und loben eifrig gegenseitig unsere Wendigkeit… Das erste Anlegen auf freier Strecke üben wir an der Cathédrale de Maguelone.
Hier schwingen wir uns auf die Räder und verbringen einige Stunden am Strand, baden im Meer und statten anschließend der halb verfallenen, aber weiterhin genutzten Kathedrale einen Besuch ab. Nun müssen wir uns sputen, um rechtzeitig die Brücke von Frontignan zu erreichen. Die Hebebrücke ist nur zwei-bis drei Mal täglich passierbar und wir sind froh, als erstes Boot in der Schlange starten zu können. Hier ist das Manövrieren ein bisschen komplizierter, hoppla, schon knallt es verdächtig an der linken Heckseite. “ Sie sind da eben angestoßen“ tiriliert ein freundlicher Schweizer, und schon müssen wir uns entscheiden, ob wir die Brücke durchqueren oder den schwindenden Fender jagen und einen Stau entstehen lassen wollten. „Gahn Sie nur, wir kümmern uns“, ruft uns die freundliche Schweizer Gruppe zu, und wir konzentrieren uns ganz auf die Brückenpassage. Kurze Zeit später wechseln ein verloren geglaubter Fender und eine Flasche Weißwein ihre Besitzer – “ Merci vielmal in die Schwiiz“. Wir nehmen weiter Kurs auf die weite Lagune Étang de Thau und ändern kurzfristig unsere Pläne. Einen Liegeplatz in der Hafenstadt Sète können wir nicht mehr ergattern, zu spät: Die Hebebrücke ist bereits geschlossen. So fahren wir in der Dämmerung in den Hafen von Bouzigues ein und legen glücklich und erschöpft zur Dinnerzeit an. Langweilig ist der erste ( war es wirklich erst der erste?) Seetag wahrlich nicht gewesen, konstatieren wir bei dem Verzehr einer gigantischen Platte frischer Austern, Muscheln und Meeresschnecken.
Als sich am nächsten Morgen ein Uniformierter dem Schiff nähert, sind wir zunächst verunsichert. Ob wir die Pole Position am Außenkai wirklich okkupieren dürfen? „Avez-vous bien dormi?“ werden wir nur freundlich gefragt, worauf wir uns gerne beim Angestellten der Capitainerie anmelden. Hier sind ausnahmslos alle von einer derart netten Lässigkeit, dass wir ungewöhnlich schnell in den so ersehnten Entspannungsmodus fallen. Überhaupt scheinen auch die anderen Hausboot-Touristen, neben Franzosen vornehmlich Briten, Skandinavier, Niederländer und Deutsche, zur Spezies der unaufgeregten Genießer zu gehören. Hier wird nicht mit dicken Uhren geprotzt oder aufgeregt mit der Börse telefoniert…man winkt sich freundlich zu, that’s it. Nun wollen wir die Lagune überqueren und legen zeitig ab. Vorher wurden wir schon informiert, dass hier gewisse Wetterbeschaffenheiten geprüft werden müssen und man außerdem keine Abwässer jedweder Art in die See lassen darf.
Wir fahren bei strahlendem Sonnenschein parallel zu riesigen Austernparks 90 Minuten bis zum nächsten Hafen Mèze. Ein bisschen geübter ist hier das Anlegemanöver schon, befinden wir stolz. Den Nachmittag verbringen wir am Stadtstrand, abends folgt das beinahe schon obligatorische Austerndinner, oui oui, ça me plait vraiment! Der nächste Morgen ist geschäftig, wir starten zum lokalen Markt, der findet immer Donnerstags statt und bietet einen wunderbaren Mix aus frisch zubereiteten Gerichten, Fleisch, Fisch, Früchten und Gewürzen. Wir decken uns für die nächsten Bordlunches ein und legen wieder ab Richtung Canal du Midi. Der letzte Stopp vor Eintritt in den Kanal ist das Örtchen Marsellain, und hätten wir dessen Schönheit vorher erahnt, wären wir voraussichtlich dort über Nacht vor Anker gegangen. Es ist wirklich zauberhaft dort, der Hafen wurde erst 2005 nach langer Renovierung wieder in Betrieb genommen.
Im Ort finden wir schnell den Place de la Republique mit der ältesten öffentlich aufgestellten “ Marianne“, einem Werk des Bildhauers Taillefer von 1878.
Bonjour, Madame, wir machen unsere Aufwartung und belohnen uns gleich darauf mit einer amtlichen 3-Flaschen-Selektion in der an der Hafenpromenade gelegenen Maison Noilly Prat. Das im Anschluss an den Besuch genossene Pistazieneis im Café Belem gehört auf meine Favoriten Top Twenty!
Bienvenue au Canal du Midi
Nun aber legen wir ab und sagen Adieu zu den weiten Austernbänken und der frischen Seeluft des Étang de Thau – wir befahren alsbald den Kanal und freuen uns schon auf die erste Brücke. Da ist sie auch schon in Sicht – der Kurs ist schnurgerade, doch Halt – passen wir wirklich hindurch, ohne das Bimini zu gefährden? Der Liebste zögert kurz, bremst ab, die „Beaucaire“ schlingert, und – paff paff- trudeln zwei Kugelfender rückwärts weiter. Mon Dieu, nicht schon wieder. Reumütig verfolgen wir im Rückwärtsgang unser Material und sammeln es glücklicherweise auch wieder ein. Wie war das mit dem Abenteuer? Die Dosis Nervenkitzel reicht für heute, denken wir. Und dann erreichen wir die Rundschleuse bei Agde und sind ein weiteres Mal der Herausforderung ausgesetzt, das Boot durch das Becken zu dirigieren. Ich glaube, ich habe selten so geschwitzt, und das liegt nicht nur an der heutigen Temperatur von ca 30 Grad… Zut alors, der Bootshaken landet im Wasser, fluchend angle ich ihn mit dem Besen wieder heraus, ein ganz so entspanntes Bild, wie letzthin beschrieben, geben wir gerade nicht ab! Ziemlich fertig machen wir dann am ziemlich fertigen Anleger Agde fest. Dieses als „schwarze Perle“ angepriesene Städtchen hat wohl schon bessere Tage gesehen, denken wir, als wir uns per Rad auf den Weg zum Abendessen machen. Im am Fluss Hérault gelegenen Ponton-Restaurant “ Mare Nostrum“ finden wir einen schönen Zweiertisch. In dieser Provinz kommen ausschließlich gute Produkte auf den Tisch, hier jedoch werden sie zudem mit kreativen Rezepten zu exzellenten Gerichten verarbeitet. Mein Menü besteht aus einem Flan aus Jakobsmuscheln in Safransoße, gefolgt von Rotbarbenfilets, die auf Ratatouille und hausgemachter Tapenade in ein kunstvolles Filoteig-Törtchen geschichtet wurden. Den Dessertabschluss bildet eine Soupe d‘ oranger, mit konfierten Orangen, Orangensorbet und einem Hauch von Zimt, wie war das noch mal mit Gott in Frankreich? Sehr zufrieden radeln wir zurück zu unserem “ Flodders“-Anleger…. bonne nuit!
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